Interviews zur Vergütungsstudie

Für die Erstellung der Studie Vergütung Energie 2016/17 wurden neben empirischen Befunden auch zahlreiche Interviews mit Führungskräften aus den unterschiedlichsten Bereichen der Energiewirtschaft geführt. Ziel der Interviews war insbesondere, die Ergebnisse aus den unterschiedlichen Datensätzen differenzierter betrachten zu können. Im Folgenden finden Sie einige ausgewählte, aus unserer Sicht besonders interessante Gespräche.


Interview mit Norbert Graefrath,
Arbeitsdirektor bei der Rheinenergie AG


Welche Erwartungen haben Mitarbeiter an die Vergütungsstrukturen im Unternehmen?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwarten völlig zu Recht, dass die Vergütungsstrukturen fair und leistungsgerecht sind. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass sich die Anforderungen der Mitarbeiter verändert haben und stark vom jeweiligen Lebensabschnitt abhängig sind.

Welche Leistungen erwarten sich die Mitarbeiter dann heute von einem Arbeitgeber?

Das kommt drauf an. Die Jüngeren bis 40 interessiert vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es geht ihnen um familienfreundliche Arbeitszeiten und um Flexibilität, um Teil- und Gleitzeitlösungen oder die Möglichkeit, auch einmal vom Homeoffice aus zu arbeiten. Ältere Mitarbeiter interessiert dagegen stärker die Altersvorsorge, da denken Jüngere noch nicht dran.

Welche Möglichkeiten ergeben sich bei der Gestaltung der Vergütungsstruktur innerhalb des Tarifrahmens?

Wir sind im Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe. Ich finde, dass man dem TV-V ein wenig Unrecht tut, wenn man ihn immer wieder nur als eng anliegendes, starres Regelungskorsett begreift. Er bietet durchaus seine Möglichkeiten und Handlungsoptionen, und die nutzen wir auch erfolgreich. Große Spielräume gibt es daneben im außertariflichen Bereich.

Gibt es dennoch etwas, das sich aus Ihrer Sicht am TV-V verändern sollte?

Ich halte die Entgelt-Eingruppierung nach Betriebszugehörigkeitsstufen für nicht mehr zeitgemäß. In einer Zeit der Patchwork-Lebensläufe, in welcher der Beschäftigte sein "Schicksal" nicht mehr über Jahrzehnte hinweg an einen einzigen Arbeitgeber knüpft und das auch seitens des Arbeitsgebers gar nicht mehr unbedingt gewünscht ist, weil er in anderen Arbeitszusammenhängen gesammelte Erfahrungen als Horizonterweiterungen honoriert, halte ich solche Bleibeprämien für antiquiert.

Welche Rolle spielen erfolgsbasierte Gehaltsbestandteile in der Vergütung?

Bei der RheinEnergie haben wir solche variablen Vergütungsbestandteile …

… und sehen Sie eine deutliche Veränderung im Engagement von Mitarbeitern und Führungskräften, die Boni erhalten?

Ehrlich gesagt: Nein, nicht wirklich.

Welches sind mit Blick auf die Beschäftigen in der Energiewirtschaft aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?

Die Branche steht unter einem enormen Kosten- und Verhandlungsdruck. Gleichzeitig wird aufgrund der Altersstruktur unserer Beschäftigten ein Drittel von ihnen in den nächsten 10 Jahren in den Ruhestand gehen.

Inwiefern verändern sich die Stellenanforderungen durch die Herausforderungen der Unternehmen?

Die Energiewirtschaft befindet sich inmitten eines Transformationsprozesses. Die Digitalisierung, die Dezentralisierung, der Trend zum Smart Home, Phänomene wie Connected-Building-Lösungen verändern massiv die Anforderungen. Dieser Wandel ist mit Risiken und Chancen verbunden. Wenn der Wind der Veränderung weht, sollte man nicht Mauern bauen, sondern Windmühlen. Daran arbeiten wir.

Welchen Einfluss wird die Digitalisierung auf die Beschäftigung in der Energiewirtschaft haben?

Die Digitalisierung ist einer der wichtigsten Veränderungsagenten in der Energiewirtschaft. Die Stellenanforderungen werden sich durch sie weiter verändern. Es braucht dafür nicht allein Fachleute mit technischem und IT-Know-how, sondern vor allem solche mit der Schlüsselkompetenz, sich permanent in neue technische Herausforderungen hineindenken zu können. Der Tellerrand als natürliche Wissensgrenze hat heute mehr denn je ausgedient.

Welche Rolle spielt das Personalwesen bei Veränderungsprozessen?

Das HR-Management fungiert als begleitender Moderator des Veränderungsprozesses. Dieser selbst aber wird von den Führungskräften und dem Topmanagement getragen.

Inwiefern hat sich die Kultur in Ihrem Unternehmen in den letzten Jahren verändert?

Der Kulturwandel hat gewiss eingesetzt, es liegt aber auch noch ein weiter Weg vor uns. Man kann die Kultur eines Unternehmens, das auf eine lange Historie zurückblickt, nicht einfach per Dikret über Nacht ändern. So funktionieren Menschen nicht. Das sind keine revolutionären, sondern evolutionäre Prozesse.

Viele Mitarbeiter haben in ihrem Berufsleben nie außerhalb der Energiewirtschaft gearbeitet. Inwiefern wirkt sich dies auf deren Veränderungsbereitschaft aus?

Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass die individuelle Veränderungsbereitschaft von Mitarbeiter zu Mitarbeiter ganz unterschiedlich ausgeprägt ist. Allerdings ist es schon so, dass insbesondere bei jenen, die bereits länger dabei sind, das Beharrungsvermögen oft stärker ausgeprägt ist als der Veränderungswille.

Stellen Sie Unterschiede in der Einstellung oder im Verhalten derjenigen Mitarbeiter fest, die zuvor in anderen Branchen tätig waren?

Ja, die sind durchaus festzustellen. Der Blick auf Abläufe im Unternehmen ist natürlicherweise ein anderer, wenn Prozesse noch als neu wahrgenommen und dadurch stärker reflektiert werden. Auf der anderen Seite nutzt sich die Innovationskraft eines solchen Blickes von außen recht schnell ab: Neue Mitarbeiter passen sich zügig an die vorhandene Kultur an.

In welchen Bereichen werden sich auch zukünftig in der Energiewirtschaft gute Karriereperspektiven ergeben?

Angesichts der hohen Veränderungsdynamik, welche die Energiewirtschaft mit der Energiewende, der Digitalisierung und der Dezentralisierung erfasst hat und auch weiterhin im Griff hält, ist es nicht so einfach, belastbare Prognosen und Qualifizierungsempfehlungen abzugeben. Lebens- und Berufsabläufe verlaufen nicht mehr linear wie noch in den 70er Jahren. Müsste ich meinem Kind aus heutiger Sicht dennoch eine Empfehlung geben, so würde ich wohl den Zweig der Elektrotechnik nennen. Dieser bildet eine wichtige Grundlage für eine Vielfalt an Berufsbildern.


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