Interviews zur Vergütungsstudie

Für die Erstellung der Studie Vergütung Energie 2016/17 wurden neben empirischen Befunden auch zahlreiche Interviews mit Führungskräften aus den unterschiedlichsten Bereichen der Energiewirtschaft geführt. Ziel der Interviews war insbesondere, die Ergebnisse aus den unterschiedlichen Datensätzen differenzierter betrachten zu können. Im Folgenden finden Sie einige ausgewählte, aus unserer Sicht besonders interessante Gespräche.


Interview mit Heike Heim,
Vorstandsvorsitzende der EVO AG Offenbach


Sie sind die erste Frau an der Spitze in der über 150-jährigen Geschichte in der EVO. Hatten Sie zu Beginn mit Ressentiments zu kämpfen?

Nein. Ich habe eher positives Erstaunen hervorgerufen, weil ich mich als Ingenieurin auf Augenhöhe mit dem technischen Kollegen austauschen kann. Ich habe nicht mit Ressentiments zu kämpfen gehabt, sondern eher mit der Wahrnehmung: „Jetzt kommt ein Vorstand aus der MVV Energie AG, Controllerin, Unternehmensberaterin, …“ Also, es lag sicher nicht an meinem Geschlecht, sondern eher an meiner Vita, die dann vielleicht in der Richtung Ressentiments hervorgerufen hat.

Gerade einmal 9 Prozent aller Vorstände der größten 50 Energieunternehmen sind weiblich. Haben es Frauen in der Energiewirtschaft immer noch schwerer, Karriere zu machen, als Männer?

Ich denke, es gibt mehrere Mechanismen, die es für eine Frau schwermachen, in höhere Führungspositionen aufzusteigen: zunächst gibt es eine kulturelle oder funktionale Ablehnung qua Geschlecht, weil Frauen von Männern als Störfaktor empfunden werden. Dann gibt es auch den Anspruch, dass in gewissen Führungspositionen Härte gefragt ist, harte Frauen sind oft jedoch wie Männer im Rock, also nicht authentisch. Wenn man sich die Altersstruktur der Energiewirtschaft anschaut, dann sieht man, dass die leitenden Stellen momentan oft noch am oberen Altersende besetzt sind. Das bringt häufig auch ein traditionelles Rollenbild mit sich. In Summe ist dies eine etwas schwierige Gemengelage für junge Frauen, die in Führungspositionen aufsteigen möchten – gerade in der Energiewirtschaft. Es ist auch ein bisschen eine Auseinandersetzung zwischen Führungskräften, die flexibel, zukunftsorientiert, auch leistungsorientiert bewerten, gegenüber solchen, die einem traditionellen, bewahrenden Rollenbild folgen.

Hilft es aus Ihrer individuellen Erfahrung heraus, wenn sich eine Frau eher wie ein Mann benimmt?

Für Führungspersönlichkeiten ist Authentizität absolut entscheidend. Und ich bin nicht authentisch, wenn ich versuche, mich an Rollenbilder anzugleichen, an vermeintliche Rollenvorgaben. Dies hält man nur bedingt lange durch, egal ob männlich oder weiblich.

Sind Führungskräfte bei Männern fehlertoleranter als gegenüber Frauen?

Ich glaube, im Kern nicht, aber weil immer noch zu wenige Frauen in Führungspositionen sind, fallen die Fehler dieser Frauen mehr auf. Männer möchten Karriere machen, das wird schon fast erwartet.

Mussten Sie immer Ihren Führungsanspruch gegenüber Vorgesetzten betonen, unterstreichen, dass Sie Karriere machen möchten?

Nicht mehr als meine männlichen Kollegen. Ich habe meinen Karriereanspruch immer klar formuliert. Als Frau muss man vielleicht immer etwas über seinen eigenen Schatten springen, was das Thema Selbstkritik oder auch Selbsthinterfragung angeht. Aber ansonsten habe ich diesbezüglich überhaupt keine negativen Erfahrungen gemacht. Es ist ebenfalls wichtig, dass man die richtigen Mentoren und Förderer während des Berufslebens an seiner Seite hat, Leute, die einem den Mut geben.

Wie findet Mann oder Frau einen Mentor?

Ich habe meine Mentorinnen teilweise qua Funktion erhalten, ich war zehn Jahre in der Beratung, wo das Modell Counsellor ein sehr ausgeprägtes ist. In meinem alten Unternehmen war es so, dass man immer einen Mentor zur Verfügung gestellt bekam, welcher mindestens zwei Karrierestufen über einem steht und der jenseits des disziplinarischen Vorgesetzten Karriereentwicklungsfragen und auch Engagements bespricht.

In den letzten 5 Jahren wurden knapp 15 Prozent aller Vorstandspositionen bei den Top-50-Unternehmen in der Energiewirtschaft mit Frauen besetzt. Dies entspricht interessanterweise genau dem Anteil von Frauen in der Energiewirtschaft. Ist damit nicht der Gerechtigkeit Genüge getan?

Nein, glaube ich nicht. Frauen in Führungspositionen, insbesondere in der Energiewirtschaft, bedingen einen Mentalitätswechsel, und ich glaube, 15 Prozent sind zu wenig, um einen wirklichen Mentalitätswechsel herbeizuführen. Nichts hilft so sehr, wie ein Rollenmodell vorzuleben, und das kann man nur mit einem signifikanten Anteil weiblicher Führungskräfte.

Gibt es Bereiche, in denen Frauen aus Ihrer Sicht leichter Karriere machen können, und Bereiche, in denen es schwerer sein dürfte?

Nein, kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich glaube, es hält sich die Waage, was Vor- und Nachteile angeht. Es sollten sich jedoch mehr Frauen in klassischen operativen Verantwortungen einbringen und weniger stark in Querschnittsfunktionen.

Ist es aus Ihrer Sicht schwierig, geeignete Frauen zu finden?

Im sehr technisch orientierten Umfeld ja. Ansonsten eher nein. Es ist in Summe momentan ein absoluter Bewerbermarkt und dies stellt den Arbeitgeber vor eine Herausforderung, die richtigen Talente zu gewinnen.

Was sollten Unternehmen in der Energiewirtschaft noch machen, um Frauen zu fördern?

An der Unternehmenskultur arbeiten, also eine eher leistungsorientierte, innovative Unternehmenskultur ausprägen. Traditionelle Rollenbilder durch moderne ersetzen, indem versucht wird, Frauen in Führungspositionen zu bringen und das Thema Familie und Karriere nicht ausschließlich den Frauen anzuhängen, denn es betrifft die Männer genauso. Das Thema Flexibilität deutlich zu erhöhen und auch die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens einer Führungskraft in Teilzeit zu ermöglichen. Die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden.

Welche Tipps würden Sie einer jungen Frau geben, die in der Energiewirtschaft Karriere machen möchte?

Den Mut zu haben, Opportunitäten, die sich bieten, zu ergreifen. Ein klares Herausarbeiten von zwei bis drei energiewirtschaftlichen Schwerpunktthemen. Auch P&L-Verantwortung zu übernehmen.


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